was vor über zwei Jahren als weltweite Ausnahmesituation begann, ist längst unser Alltag geworden. Das Leben in einer Pandemie. Das Leben über Distanz. Das Leben in Einsamkeit. Die Zeit ist alles andere als spurlos an uns vorüber gegangen, die Anspannung hat sichtbare und unsichtbare Narben hinterlassen. Immer mehr Menschen empfinden Wut, ohne zu wissen, woher sie kommt oder worauf sie sich richtet. Dialoge werden oft zugespitzt, um die eigene Position einem unsichtbaren Gegenüber aufzuzwingen; um Resonanz zu bekommen. Was bleibt, sind gewaltvolle Entladungen des Zorns in der analogen oder digitalen Welt. Schutzlos stehen wir nebeneinander und fragen uns: Was jetzt?
Was kommt und entsteht jenseits der Wut? Wie können wir unsere Wut über das Jetzt nutzen? Wir wollen in dieser Spielzeit verschiedene Phasen (jenseits) von Wut betrachten. In einer rauschenden Nacht fragen wir uns anhand des klassischen Stückes Die Bakchen, wo der Ort nach der Wut ist, wenn es keinen Ort mehr gibt und alle Utopien verbraucht sind. Wir werden uns mit der vierten Arbeit von Dennis Duszczak in Dortmund, GRM Brainfuck von Sibylle Berg, der Hoffnung in einer verlorenen Welt zuwenden. Während wir mit der Brüsseler Regisseurin Sanja Mitrović über Verluste nachdenken, werden wir mit dem Londoner Regisseur Rikki Henry die Kraft des Lebendigen betrachten. Mit dem New Yorker Künstler*innen-Kollektiv Ta-Nia suchen wir dann ein Ritual der Heilung. Das sind nur einige Perspektiven in einem Spielplan, der durch verschiedene Formate von Theaterproduktionen, Gesprächsreihen, Festivals, und und und, einen multi-perspektivischen Blick auf „Post-Wut“ wirft.
„Ich habe an der Wolfslippe der Wut gesaugt und mir davon Erleuchtung, Lachen, Schutz und Wärme an Orten geholt, wo es kein Licht, keine Nahrung, keine Schwestern und keine Geborgenheit gab.“ Audre Lorde
Wir haben uns in dieser Spielzeit international renommierte Gäst*innen eingeladen, um gemeinsam in Dortmund künstlerisch herauszufinden, was uns alle weltweit beschäftigt: Wie nutzt du deine Wut? Wir wollen euch herzlich einladen, mit uns zu lachen, zu diskutieren, zu voguen und zu kochen. Wir laden euch herzlich ein.
Eure
Julia Wissert
Intendantin des Schauspiel Dortmund